Danke Tom Bartels
15.06.2012 13:50Wer gestern das späte Spiel angeschaut hat, der durfte miterleben wie hoffnungslos unterlegen die Iren den Spaniern waren. Bis zum Abpfiff waren die "Jungs in Grün" tapfer kämpfend, aber an diesem Abend einfach drei Klassen schlechter. Der (noch) amtierende Welt- und Europameister Spanien brannte im Minutentakt ein Feuerwerk aus zielsicherem Kurzpassspiel, feinen Tricks und – nicht selbstverständlich! - daraus resultierenden Torschüssen ab. Irgendwann war es beinahe schon langweilig, WIE überlegen die Spanier waren und daher begann der Moderator Tom Bartels Mitte der zweiten Halbzeit fast schon entschuldigend aufzuzählen, aus welchen ‚Dorfmannschaften‘ die irische Nationalmannschaft schließlich auch zusammengesetzt sei. "Da kann kein Trainer der Welt was Besseres draus formen." Damit hat er wahrscheinlich sogar recht.
Interessant und beeindruckend waren am gestrigen Abend allerdings die vielen tausend irischen Fans im Stadion. An dieser Stelle sei vielleicht kurz erwähnt, dass ich vor ein paar Jahren selbst zu einem Länderspiel in Dublin war und daher aus eigener Erfahrung bestätigen kann, dass der irische Fußballfan etwas ganz Besonderes ist. Eigentlich ist er genauso wie ein Fußballfan immer sein sollte: Euphorisch, sangesfreudig und ganz wichtig – loyal gegen die eigene Mannschaft.
Alle Iren die ich beim Spiel traf und sprach, waren begeistert bis in die Haarspitzen von der eigenen Mannschaft, aber stets auch ganz offen stolz auf den ‚großen Gegner‘ gegen den man spielen darf. Das ist kein Scherz, sie bedankten sich für ein Spiel gegen Deutschland.
Sich selbst einzuschätzen gibt den irischen Fußballfans eine unheimliche Größe die sie auch nach Niederlagen offenbar nicht verlieren. "Hat es heute eben nicht gereicht, egal die Jungs haben alles gegeben. Und es war ja auch nicht irgendwer gegen den wir verloren haben!" Die Stärke des Gegners anerkennen und trotzdem bedingungslos hinter der eigenen Mannschaft stehen, das haben viele Fans in Deutschland leider ver-, oder einfach noch nicht gelernt.
Und was dann gestern in der 87. Minute passierte, war genau dieses offenbar tiefsitzende Gefühl im Wesen der Iren, welches sich den Weg nach außen brach. Irgendeiner hat angefangen zu singen und irgendwann haben all die tausend irischen Fans mitgesungen. Kein "Sing when you’re winning.", das war ein schlichtes keltisches "Sing loud, sing proud! No matter what!". Uns allen geht es schlecht, aber es wird wieder werden! Denn wir sind nicht alleine und daher trinken wir nach dem Spiel gemeinsam unseren Schmerz weg und freuen uns aufs nächste Spiel!
Brutaler Pathos, aber wer bei dem Gehörten gestern keine Gänsehaut vor dem Fernseher bekommen hat, der muss innerlich abgestorben sein. Das waren genau im richtigen Moment genau die richtigen Töne. Ich habe im Internet nachgeforscht, weil ich unbedingt wissen wollte was die Iren da genau gesungen haben: „The Field of Athenry“, ein Lied über die irische Hungersnot von 1846-1849. Wahnsinn.
Und mein ganz besonderer Dank gilt Tom Bartels, denn der tat genau das richtige – Er hielt den Mund! Minutenlang rauschte der Männerchor durch Stadion ohne dass der Kommentator auch nur ein Wort gesagt hätte. Am Anfang dachte ich noch es wäre irgendein Tonausfall, aber je länger das Spektakel andauerte, umso größer wurde die Gewissheit, Bartels hält den Mund weil er den Mund halten will! Weil er ein extrem gutes Gespür dafür hat dass man so einen Moment einfach nicht totredet. Wahrscheinlich war er einfach selbst ergriffen, ich kann ihn absolut verstehen.
Und weil er für ein paar Minuten stumm blieb, gab mir Tom Bartels die bisher schönsten Momente dieser ansonsten von Faschings-Fans, Spielerfrauen und Hooligans bestimmten Veranstaltung. Kein inszeniertes Spektakel, sondern pure Fankultur aus einem anderen Land.
Dankeschön.
»Low lie the Fields of Athenry
Where once we watched the small free birds fly
Our love was on the wing
We had dreams and songs to sing
Now it´s so lonely round the fields of Athenry.«
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